01.04.2020 14:58

Gedanken in Corona Zeiten 1

Meine Gesundheitskultur Praxis ist nun schon eine Weile geschlossen - keine Klangreisen mehr, keine Einzelsitzungen, keine Körperarbeit, kein Trommeln für die Seele. Was eigentlich alles hilfreich ist, um für Lebenskrisen gestärkt zu sein! Es ist schon absurd, gerade nichts tun  zu können! Alles liegt auf unbestimmte Zeit auf Eis und natürlich ist überhaupt nicht klar, was zum Vorschein kommt, wenn das Eis wieder anfängt zu schmelzen.
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Von allen Seiten kommen jetzt gutgemeinte Texte, widersprüchliche Meinungen und Einschätzungen der Lage, auch viele  Vorschläge zur Bewältigung der Krise, Erkenntnisse, die daraus gewonnen werden sollten, könnten, müssten. Manchmal fühle ich darin sehr viel Atemlosigkeit, Aktionismus. Und ich kenne das von mir auch. Es ist verständlich und sicher Ausdruck unterschiedlichster Bewältigungsstrategien.

Doch vielleicht ist es ja zudem wichtig, für den Moment einfach mal innezuhalten und anzuerkennen, dass die Lage schwierig ist und niemand tatsächlich weiß, wo es hinführen wird und was richtig ist. Dass wir – auch – Angst haben. Wut und Trauer zu spüren. Dass wir verunsichert sind. Ich finde, das ist ehrlich. Auch wenn es nicht leicht ist, diese Unsicherheit auszuhalten.

Derzeit erleben wir ein bedrohliches Wanken von allem,  was uns bisher als sicher erschien. Kein Stein bleibt auf dem anderen und wir müssen – ob wir wollen oder nicht - einen Umgang damit finden. Ein winziges Virus hat es geschafft, die „Turbo Welt“ dort draußen zu stoppen.
Viele Menschen sehen in dieser Situation die Chance für grundlegende wünschenswerte Veränderungen zugunsten von Gerechtigkeit, gesunder Umwelt und gelebter Mitmenschlichkeit. Ja – ich gehöre auch zu denen, aber natürlich gibt es da auch Zweifel. 

Andere – und deren Anzahl wird derzeit größer - durchleben jetzt quälende Tage gefüllt mit Angst und Panik, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Und ich muss gestehen, dass mir das mehr Sorge bereitet als die Ausbreitung des Virus. Natürlich muss die Ausbreitung gestoppt werden, keine Frage. Was bei all der Sorge um „Gesundheit“ aber fehlt – und das wird jetzt sehr deutlich – ist das Bewusstsein darüber, dass Gesundheit mehr ist als das Fehlen von offensichtlicher (körperlicher) Krankheit.
Es macht mich traurig zu sehen, wie schnell soviele Menschen in Panik geraten. Wie konnte es passieren, dass die Welt so dermaßen „aus den Fugen“ geraten ist. Nicht erst seit Corona. Dass wir vergessen haben, was „im Einklang sein“ bedeutet. Wie wertvoll Vielfalt ist. Was Mitmenschlichkeit bedeutet. Was uns wirklich sinnvoll und wichtig ist. Wie wir das Wort „Frieden“ mit einer tiefen, gefühlten Gewissheit füllen….

Tags: corona
23.09.2019 14:47

Klang und Resonanz I Wir wir Intuition und Mut stärken

Raus aus der Angst und Bequemlichkeit, die inneren Fesseln ablegen und mutig meinen eigenen Weg gehen. Das in mir wohnende Potential endlich leben. Spuren legen, die in die Zukunft weisen. Viele wünschen sich das sehnlichst und fragen sich gleichzeitig, wie das geht? Wie komme ich da hin? Nein - es gibt keinen Königsweg und jede/r muss wohl - durch Zufall oder durch was auch immer - herausfinden, wie es geht. Hier will ich mit ein paar Sätzen die Aufmerksamkeit auf das kreative Musizieren, auf das intuitive Klangspielen lenken. Ich halte es für außerordentlich wesentlich und das ist sicher auch der Grund, warum ich seit vielen Jahren Menschen in diesen kreativen Prozessen begleite.

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Was macht das aktive intuitive Spielen, den kreativen Ausdruck so wertvoll? Ich sehe es so, dass wir im improvisierten Spiel wieder Zugang zu unseren ureigenen Gestaltungskräften bekommen. Diese Gestaltungskraft ist vielen Menschen durch ungünstige Vorerfahrungen und den allgegenwärtigen Leistungsdruck verlorengegangen. Im Alltag heisst es "funktionieren", vorgegebenen Normen und Erwartungen entsprechen. Sich unterordnen - sei es der Meinung anderer Menschen, dem Takt der Uhr oder den inneren Ängsten, Minderwertigkeitsgefühlen, Versagensängsten. Irgendwann sind die inneren Antreiber und der äußere Druck nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Wer bin ich  eigentlich? Wo will ich eigentlich hin? Wo bleibe ich selbst?

Im achtsamen (Klang) Spiel "reisen" wir spielerisch wieder zu uns selbst. Wir verbinden uns mit dem was wir tun, mit unseren Bedürfnissen und Gefühlen, mit unserem Mut. Es kommt aus uns selbst und - das ist das Besondere - es findet Resonanz im Raum. Mein eigenes Handeln findet Resonanz. Mit anderen Klängen. Mit anderen Menschen. Mit neuen Gedanken. Mit neuer Motivation. Mit neuem Mut. Mit neuem Sinn. Da hallt etwas zurück und zwar JETZT. Ganz unmittelbar jetzt klingt es und findet Resonanz. Diese Erfahrungen sind wertvoll, gehen unter die Haut und stärken nachhaltig den Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen und die eigene Wahrheit zum Ausdruck zu bringen.

Aber mehr noch. Die Erfahrung von Verbundenheit mit anderen, die erlebte positive Resonanz, gibt mir die Zuversicht (zurück), dass das Miteinander (mit anderen Menschen) etwas Positives ist, das ich selbst mitgestalten kann ... Es macht Freude, sich auszumalen, was es bedeutet, wenn immer mehr Menschen ihre ureigene Gestaltungskraft, Lebensfreude und Lebenssinn wiederfinden. Was für eine Welt könnte das sein!

Tags: intuition
11.09.2019 20:55

Langsamer, empathischer, liebevoller …

Langsamer, empathischer, liebevoller …

Ja – langsamer leben, empathischer wahrnehmen, liebevoller handeln. Das hört sich gut an. Ich liege im schattigen Garten eines norddeutschen Dorfes, irgendwo weitab und lese mit einem hoffnungsvollen Grundgefühl einen Artikel über den Zustand des Planeten Erde und wie wir ihn verbessern können. Aus der Entspannung heraus betrachtet offenbart die Welt ohnehin immer Lösungen, die sich im Alltag versteckt halten. Da sind sie wieder - die guten Ideen, die erweiterten Horizonte. Doch wie schnell diese – im Alltag wieder angekommen – wieder entschwinden wollen. Zweifel kommen auf. Hoffnungsfunken werden blasser. Der Alltag konfrontiert mit Hindernissen und Herausforderungen, manchmal tiefgreifend oder manchmal auch ganz banal.

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Es ist schon eine Weile her, als ich in meiner üblichen Fahrweise (eher ruhig, unsportlich, gemütlich) die Dreisam flussaufwärts radle. Hinter mir spüre ich Unruhe und schon höre ich, wie der ältere Herr mir beim Überholen in breitem Dialekt etwas zuraunt wie „Aber nur nicht gleich einschlafen“. Mmh. Was soll ich da sagen? Ich erschrecke kurz, bin dann wirklich genervt und der Vorfall beschäftigt mich. Wer ist dieser Mann, dass er mir sein Tempo aufdrücken will? Spinnt der? Wie kann er nur? Ein wahrer Sturm an Urteilen über Menschen „wie er“ will sich in mir breitmachen. Ich bin sicher, dass es „diese Energie“ ist, die den Planeten bedroht, zerstört. Ich schalte auf „Profimodus“ um und der sagt mir, dass dieser Mann massiv „unter Strom“ steht. Er fühlt sich gestört von Muße, von Gemütlichkeit, von Ruhe, hält die Langsamkeit nicht aus, wird aggressiv und greift auf ungute Weise in meine Sphäre ein. Puuh. Das ist heftig. Das nervt, aber ich möchte dieses ungute Gefühl in mir nicht weiter aufschaukeln.

Ich versuche, innerlich Abstand zu gewinnen. Und dann kommt auch schon der entlastende Gedanke: Ja – das kenne ich doch auch! Wenn ich im Stress bin, stört mich auch schon mal die Fliege an der Wand. Es gibt da aber zum Glück einen Unterschied. Ich habe gelernt, diesen Mechanismus zu erkennen und kann den Hebel wieder umlegen. Dankbarkeit. Und da ist sie auch wieder – die Hoffnung! Könnte es – bei allem Realismus – vielleicht doch möglich sein, dass immer mehr Menschen erkennen, wie ihr eigenes Verhalten Einfluss hat auf den Zustand des Planeten, auf die Bewohner*innen, die Natur, auf alles was lebt? Eine schöne Vorstellung: Wir ermutigen einander, das Beste in uns zu entfalten und zum Ausdruck zu bringen. Niemand muss mehr Angst haben, anders zu sein als die Masse, sich falsch zu verhalten oder nicht zu genügen. Denn jede bunte Facette des Lebens ist willkommen und bereichert das Leben von uns allen!

Der Slogan „langsamer, empathischer, liebevoller“ ist für mich eine nachhaltig motivierende Erinnerung an diesen Sommer 2019. Ein Synonym für das lebendige, heilsame Miteinander von Mensch und Natur. Für unsere Fähigkeit zu hoffen, auch wenn etwas ausweglos erscheint. Für unsere Bereitschaft zu handeln und unser Bestes zu geben. Zum Wohle ALLER.

15.04.2019 18:25

Schmerzen

Kürzlich las ich in einem Artikel über Klangtherapie folgendes Zitat vom Dalai Lama: „Schmerz ist unvermeidlich, Leiden ist eine Entscheidung“.  Als jemand, die selbst lange Jahre mit vielen Schmerzen gekämpft hat, sprach mich dieser radikale Satz sofort an. Schmerz ist allgegenwärtig. Gibt es überhaupt einen schmerzfreien Menschen? Vollständig frei von seelischem und/oder körperlichem Schmerz? Ich bezweifle das. Es ist nur interessant zu beobachten, wie unterschiedlich Menschen mit ihrem Schmerz umgehen. Von Ausblenden und Verleugnen bis hin zu extremer Wehleidigkeit, Jammern, Beklagen bei jedem kleinen Kratzer oder vermeintlichem Problem gibt es da die ganze Palette rauf und runter. Aus meiner persönlichen Geschichte habe ich rückblickend gelernt, dass das Zulassen von Schmerz ein wichtiger Wendepunkt auf meinem Lebensweg war. Damals habe ich – ohne es zu der Zeit so benennen zu können - erste Tuchfühlung mit dem Wesen von Achtsamkeit aufgenommen. Der Kampf gegen die Schmerzen (der Kampf gegen Vieles andere auch) begann sich zu wandeln in eine wache Aufmerksamkeit für mich selbst und meinen Körper und so ganz leise veränderte sich meine Beziehung zur Welt, zu den Menschen und meinen Zielen. Das ist bis heute eine spannende Reise mit unendlich vielen reichen Erfahrungen. Schmerz hat die Dominanz verloren, er ist einfach nur noch ein Aspekt in einem großen Reigen an unterschiedlichsten Gefühlen und Empfindungen. Zusammen betrachtet – verbunden - ergibt dieser Reigen Sinn.

Tags: schmerzen
20.03.2019 18:05

Weltglückstag

Heute ist Weltglückstag. Punktgenau zum Frühlingsanfang soll der Tag daran erinnern, dass Zufriedenheit nicht in erster Linie durch Leistung, Konsum und Geld erreicht wird. Es sind vielmehr die kleinen, häufig so flüchtigen Dinge des Alltags, die uns guttun können – sofern wir sie denn wahrnehmen vor lauter Stress und Zeitdruck. Die meisten von uns erleben sie leider viel zu selten - diese Momente des Innehaltens, des Ankommens bei sich selbst oder die zutiefst wohltuende Erfahrung, sich von jemandem wahrgenommen und wertgeschätzt zu fühlen, die Momente des gelingenden Miteinanders, die stille Freude an der Fülle der Natur oder an einem Lächeln, das uns geschenkt wird … In Zeiten, in denen die schlechten Meldungen aus aller Welt unentwegt auf uns einprasseln, klingt das Streben nach Glück fast unanständig? Mmh … ich denke, dass der innere Frieden und das persönliche Glücksempfinden es erst ermöglichen, für die Probleme unserer Mitmenschen in aller Welt und insgesamt für die globalen Herausforderungen empathisch zu sein …. In diesem Sinne sollten wir vielleicht dem Streben nach Glück und Sinn mehr Bedeutung im Leben beimessen!?

Tags: glück
14.03.2019 14:48

Heilungspotentiale des Alltags - Resonanz, Berührung, Empathie und Mitgefühl

Meine tiefste Überzeugung ist, dass jede alltägliche Begegnung – im professionellen, privaten und auch öffentlichen Raum – potentiell eine berührende, stimmige und somit heilsame Erfahrung sein kann. Die Qualität unserer Alltagserfahrungen und Begegnungen wird von uns allen in jedem Augenblick gestaltet. Wir senden und empfangen kontinuierlich Informationen über die Körpersprache, über Gesten, Haltung und Mimik, natürlich auch über den Stimmklang und die Sprache. Der Grad unserer bewussten Aufmerksamkeit entscheidet darüber, wessen wir gewahr werden und mit welcher Qualität wir gestaltend in Resonanz gehen.  Ein Lächeln im Vorbeigehen, das ein fremder Mensch uns schenkt, kann gut tun – doch allzu oft erreicht es uns gar nicht. Ein warmer Blick kann signalisieren, dass wir wahrgenommen und gemocht werden, er kann nähren. Doch wenn wir im eigenen Körper und im gegenwärtigen Augenblick nicht verankert sind, kann dieses Signal missverstanden oder übersehen werden. Flüchtige Zartheit wird verdrängt von der Umtriebigkeit des Tages, in dem für achtsame Wahrnehmung keine Zeit zu sein scheint. Doch wenn wir uns selbst nicht spüren, wie können wir anderen dann wirklich authentisch begegnen?

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In einer Welt, die das Fühlen verlernt zu haben scheint, sind wohltuende Begegnungen selten geworden. Die berührungsarme Wohlstandswelt umarmt sich mechanisch, drückt sich professionell und distanziert die Hände, allzu oft teilnahmslos und mit leerem Blick, erschöpft und desinteressiert. Das geschieht in Arztpraxen und bei Therapiesitzungen genauso häufig wie in den schicken Büros und Verkaufshallen der Businesswelt. Wie ein steter Tropfen, der den Stein höhlt, wirkt unterkühltes Alltagsverhalten kontinuierlich auf die Art und Weise des zwischenmenschlichen Umgangs ein und formt das, was als normal empfunden wird: Eine Kultur der Abgrenzung und Leere, die allgemein akzeptiert und gelebt wird. Einander in Offenheit authentisch zu begegnen wird zu einer seltenen Perle, die mitunter misstrauisch betrachtet wird. Einander nahe zukommen, sich vom Leben und dem Schicksal anderer Menschen berühren zu lassen, scheint im umtriebigen, zielgerichtet agierenden Alltag fehlplaziert zu sein. Doch ist es nicht so, dass wir uns alle nach einer tiefen inneren Verbundenheit, dem Berührtwerden, dem Angerührtsein, dem Wahrgenommenwerden sehnen? Und verschließt sich unser Herz vielleicht genau aus dem Grund, weil wir es schon allzu sehr gewohnt sind, dass wir nicht berührt, gesehen und gewürdigt werden? Verengt sich unsere Wahrnehmung und erstarren unsere Körper, weil die Gleichgültigkeit vieler der uns umgebenden Menschen in uns bereits Spuren hinterlassen haben?

Wie können wir die Qualität unserer Alltagserfahrungen in positiver Weise verändern? Wie gelangen wir – wieder – zu einer berührenden und respektvollen Begegnungskultur, die wir als nährend und ermutigend erleben? Was können wir in unseren jeweiligen Lebenswelten beitragen, damit die „weichen Anteile“ unseres Seins ihren selbstverständlichen Platz finden. Anders gefragt: Wie kommt die Empathie, das Fühlen, das Wahrnehmen, das Berühren, sich anrühren lassen in die Welt?  Meine Antwort auf diese Fragen lautet zunächst: Es braucht Mut, aus genormten Bahnen auszubrechen und sich anders zu verhalten, als die Mehrheit der Menschen es erwartet und gewohnt ist. Es braucht Mut, sich selbst und den Menschen näher zu kommen. Und es braucht Offenheit, um sich für neue Erfahrungen zu öffnen.

Während eines Symposiums für Salutogenese hatte ich in diesem Sinne zu einem Erfahrungsraum „Begegnung und Berührung“ eingeladen. Erstes und einziges Ziel für die Teilnehmenden war es, sich auf einen offenen Erfahrungsprozess einzulassen. Als Impulsgeberin dieses Erfahrungsraumes hatte ich im Vorfeld Fragen in den Raum gestellt, den Ablauf des Workshops aber von Anfang bis Ende offen gelassen. Der Verlauf war also auch für mich ungeplant und unvorhersehbar.
Im Verlauf von 90 Minuten entfaltete sich ein Begegnungsraum, der allen Beteiligten zu jeder Zeit die Freiheit ließ, Bewegungen, Begegnung und Berührung so zu gestalten, wie es sich angemessen und stimmig anfühlte. Schon nach kurzer Zeit war eine energetische Dichte spürbar, in der sich die teilnehmenden Frauen und Männer in diesem angeleiteten und begleiteten Erfahrungsprozess getragen fühlten und unterschiedliche Dimensionen von Berührung erforschen konnten. Wie gehe ich mit mir selbst in Kontakt? Mit welcher Haltung begegne ich anderen Menschen? Wie erlebe ich Berührung?  Welche Impulse bewegen mich? Was macht (m)eine Berührung für jemand anderen wohltuend und unterstützend?  (Wann) ist Berührung für mich stimmig? Unterschiedliche Intentionen der Berührung wie z.B. anfassen, berühren, anrühren, sich berühren lassen, berührt werden konnten in individueller Selbsterfahrung wie auch in nonverbalen Dialogen lebendig erfahrbar werden.

Was macht derartige „Laboratorien zur Selbsterforschung und des Miteinander “ so wertvoll? Rückmeldungen bestätigen, dass Menschen gestärkt in ihren Alltag zurückkehren. Positive Erfahrungen in einem respektvollen Rahmen stärken Vertrauen und Selbstsicherheit, um sich flexibel in einem fließenden Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz, Abgrenzung und Intimität bewegen zu können. Die Angst, sich verletzlich zu zeigen und auf andere Menschen schwach zu wirken, kann durch Erfahrung überwunden wunden. Menschen fühlen sich ermutigt, ihren Wahrnehmungen zu vertrauen und in der Folge ihren inneren Überzeugungen auch Ausdruck zu verleihen. Das bedeutet auch, dass sich die Perspektive verändern kann und neue Sichtweisen auf alte Probleme möglich werden.

Bleibt die Frage: Wie kann sich eine Kultur des Miteinanders, der Berührbarkeit, der Empathie und authentischen Begegnung im beruflichen Alltag, in Ausbildungsstätten, Einrichtungen und Organisationen sowie auch in der Politik und in Nachbarschaften nachhaltig etablieren? Authentische, mutige Vorbilder sind dabei von Bedeutung, ermutigende Beispiele können zum Wegweiser werden. Denn selbst in einer auf Effizienz, Leistung, Qualitätssicherung und Normierung fixierten Welt können sich lebendige Prozesse des Wahrnehmens, Fühlens und Berührens organisch in bestehende, starre Gerüste einweben und dabei immer mehr Menschen in einem gesunden Sog mitnehmen. Es ist eine wichtige Bildungsaufgabe, den wesentlichen Wert der weichen Faktoren unseres Seins zu vermitteln. In allen Bildungszusammenhängen sollte es selbstverständlich werden, durch Körperbewusstseinsarbeit, Achtsamkeitsübung und durch Verfeinerung der Kommunikationsfähigkeit an wesentliche menschliche Grundbedürfnisse anzuknüpfen und die in uns angelegten Potentiale zur Kooperation parallel zur fachlichen Ausbildung zu entfalten. Sich die Hand auf das eigene Herz zu legen, um nicht nur auf den Verstand sondern auch auf die Intelligenz des Herzens und des Körpers zu hören, könnte so gesellschaftsfähig werden. Es kann gelingen, wenn sich immer mehr Menschen täglich aufs Neue darauf einstimmen, dass Berührung, vertrauensvolle Nähe und empathische Einfühlung zum Erhalt und zur Entfaltung unseres Lebens genauso wichtig sind wie Wasser, Licht und Nahrung.

 

Tags: resonanz
24.02.2019 08:27

Die "Meditative Klangreise" - ein Kurztrip zur Seele

Gerade habe ich die Zimbel zum zweiten Mal an diesem Abend angespielt - das Zeichen dafür, dass unsere Klangreise sich nun dem Ende nähert. In den vergangenen 50 Minuten sind wir eingetaucht in die Welt von Klängen, Schwingungen, eingetaucht in Räume, die sich gar nicht so leicht beschreiben lassen. Was geschieht da eigentlich? Warum empfinden es Menschen so heilsam, so wohltuend und entlastend?

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Manchmal wünsche ich mir, eine von denen zu sein, die hier auf meinem schwingenden Holzboden so entspannt und friedlich vor mir liegen. Einfach den Klängen lauschen, mich forttragen lassen, weit weg, innere Welten beobachten, ganz in der Ferne vielleicht noch das Flimmern von Gedanken. Hier ist Frieden. Tief in mir weiß meine Seele, dass ich eingebunden bin, in Resonanz mit der Welt und allem was ist .... Bilder tauchen auf, manchmal bunt und deutlich, mal auch verwirrt. Wollen sie mir etwas sagen, mir einen Hinweis geben? Einen Impuls vielleicht in mein Leben senden?
Doch klar, mein "Job" hier ist es zu spielen, die Instrumente zum Klingen zu bringen. Mit meiner eigenen Stimmung, meinem Sein in Resonanz zu gehen. Auch mit dem was unsere Gäste heute mitbringen, was im Raum vor mir und um mich herum gerade ist. Es bringt mich in die Gegenwart. Ich bin hier, um den Raum mit meiner Haltung zu füllen, mich meiner Intuition beim Spielen hinzugeben. Meine Hände kennen den spielerischen Dialog mit den Instrumenten seit vielen Jahren. Ich verbinde mich mit meinem Atem, fühle meinen Körper – das stärkt mein Vertrauen, dass alles gut ist. Auch mich als Spielende verändert der Klang an diesem Abend wie schon in unzähligen Stunden zuvor und sicher auch in Zukunft. Ist es der Klang, ist es der Atem, ist es das Zusammenschwingen, das Einschwingen auf klangvolle Stille und Frieden? Wie auch immer – eines ist klar: Dieses war mal wieder ein Kurztrip zu meiner (oder auch unser aller?) Seele, zu einem Urgrund, der uns alle trägt. Ich tauche wieder auf, komme zurück und schaue in die Gesichter vor mir. Viele Geschichten sind fühlbar im Raum, nicht jede wird erzählt. Manches will geteilt, anderes einfach im Herzen gehalten werden. Alles ist gut.

20.02.2019 19:14

Gestresst, rastlos - gibt es (k) ein Entkommen?

Heute ist so ein Tag. Überall sehe ich Menschen, die unfreundlich dreinblicken, gestresst und genervt wirken. Blicke ich gerade in einen Spiegel? Es gibt sie – Tage wie diesen,

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an denen es mir schwerfällt, derartige Stimmungen zu verwandeln, z.B. indem ich jemanden einfach anlächle oder auch nur still in mir einen freundlichen Gedanken formuliere. Die Rastlosigkeit (der anderen?) klebt an mir, ich kann sie nicht abschütteln und gehe schnell meiner Wege. Augen zu und durch. Ich weiß, „es“ wird vorbeigehen. Doch ich frage mich, wie sich diese Gesellschaft der vielen Gestressten weiterentwickeln wird. Wenn es kaum noch jemanden gelingt, frühzeitig und nachhaltig aus der Stressmühle auszusteigen? Können wir dann gut miteinander leben? Stressmuster sind hartnäckig. Sie haben uns fest im Griff. Und sie beeinflussen, durchdringen Beruf, Familie, Freizeit, Ehrenamt, eben Alles. Wie eine klebrige Masse. Das Fatale am Stress ist, dass er uns vergessen lässt, wie angenehm, stärkend und inspirierend positive Gefühle sind, wie sich Wohlbefinden, innere Ruhe und ein gutes Körperempfinden anfühlen. Stress lässt uns die Sehnsucht nach diesen Wohlgefühlen vergessen. An einem Tag wie heute bin ich froh, dass diese Sehnsucht in mir lebendig ist. Manchmal nicht in jedem Moment, wie eben heute. Aber sie ist eine starke Kraftquelle, ich kann auf sie vertrauen.

 

25.02.2019 10:17

Dem Lebendigen folgen - "Gesundheit" neu denken

Es ist aus meiner Sicht dringend überfällig, dem Wort Gesundheit neues Leben einzuhauchen.  Bei Gesundheit denken wir stets an das schnellstmögliche Ausmerzen einer bestehenden Krankheit, eines Schmerzes oder sonstigem Leid. Im Fokus von Gesundheit steht das Problem, das Symptom, das Leiden. Wir wollen, sollen, müssen es schnell loswerden. Der Wahn vollkommener körperlicher Gesundheit, Schmerzfreiheit und 100%iger Leistungsfähigkeit ist allgegenwärtig und lässt den Menschen wenig Raum, sich auf ganzheitliche Gesundungsprozesse einzulassen. Doch Gesundheit ist weitaus mehr als nur das Fehlen von "offensichtlicher" Krankheit oder Schmerz. Ganz gesund sein heißt ganz leben! In jedem Menschen wirken starke, kreative Kräfte, die zum Ausdruck kommen wollen. Zu "Gesunden" heißt für mich, mit diesen Kräften in Kontakt zu kommen und sich dem Lebensfluss mit allem was ist hinzugeben.... sich auf die Suche zu machen nach den Schätzen des Lebens. Wer mag, kann hier meine Gedanken, persönlichen Gesundungs-Erfahrungen und Entdeckungen lesen.

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In jedem Menschen schlummert lebendiges kreatives Potential. Es ist der Tanz des Lebens, der geweckt werden will. Tanz, wie ich ihn heute verstehe, ist eine Lebenshaltung, ist Lebensbewältigungs- und (Selbst)Heilungskunst. Dazu möchte ich in diesem kleinen Essay einige persönliche Entdeckungen, Erfahrungen, Gedankengänge und Fragen mit Ihnen teilen. Die Perspektive, aus der ich schreibe, wechselt. So schreibe ich gleichermaßen als Betroffene, als Tanzende, als Atmende, als (Sinn) Suchende sowie auch aus der Sicht einer professionellen Begleiterin. Sie bekommen so einen Einblick in den Hintergrund zu meiner integrativen, systemischen Arbeitsweise, die auf Achtsamkeit und Atemerfahrung, Klang, Bewegungsbewusstheit und Tanz, basiert.

Den eigenen Körper (wieder) zu entdecken bedeutet insbesondere in Zeiten von Lebenskrisen, chronischer Krankheit oder Schmerz einen hohen Zuwachs an Lebensqualität. Wer sich auf diese Entdeckungsreise begibt und sich für die lautlose Sprache des eigenen Körpers öffnet, dem erschließen sich verborgene Potentiale. Neue Wege des Selbsterlebens und des Miteinanders in der Welt werden erfahrbar. Dieses ist insbesondere auch im beruflichen Umfeld von positiver Bedeutung. „Mein Tanz will Fragen stellen“, mit diesen Worten umschrieb einst der japanische Tänzer Min Tanaka das kreative Potential, das im Tanz liegt. „Der“ Tanz – eine in unserem Kulturkreis eher selten praktizierte Heil- und Lebenskunst - lehrt uns, das Leben als einen schöpferischen Wandlungsprozess zu erfahren. Oft wissen wir nicht, wohin der nächste Schritt uns führt. Fragen für die Zukunft bleiben unbeantwortet und das kann Angst erzeugen. Nicht immer offenbart das Leben seine Schätze sofort, schon gleich gar nicht in Zeiten von Krankheit und Leid. Was soll am Leiden schon sinnvoll sein und wie kann ich wissen, ob es jemals vorbei sein wird? Gegen dieses Nichtwissen anzukämpfen, kostet Kraft und verstärkt den Leidensdruck. Das Nichtwissen anzunehmen, kann jedoch der Beginn eines heilsamen, kreativen Wachstumsprozesses sein. Auf diesem Weg ist der eigene Körper ein weiser Lehrer.

Die Haltung, die diesen Prozess begünstigt, würde ich als eine Haltung der „aktiven Passivität“ beschreiben. Für den Verstand ist dieses ein Paradox, er fragt: Wie soll das möglich sein? Ich soll mich meinem Leiden und all der damit verbundenen Unsicherheit hingeben und trotzdem zuversichtlich einen Schritt nach dem anderen voran setzen? Ich soll zufassen und gleichzeitig loslassen? Ich soll mich abgrenzen und gleichzeitig mit dir verbunden agieren? Ich soll gehen ohne zu wissen wohin? Ich bin doch chronisch krank, wie kann ich da gleichzeitig gesund sein? Die lautlose Sprache des Körpers kann helfen, dieses Paradox ein Stück weit aufzulösen. Denn was der Verstand nicht fassen kann, ist für den Körper ein ganz natürlicher Vorgang. Ja – letztendlich ist Leben vom Verstand aus betrachtet immer ein Paradox. Alles Lebendige hat den unaufhaltsamen Drang sich zu bewegen, zu verändern, geboren zu werden, zu wachsen und wieder zu vergehen. Nichts bleibt wie es ist. Jeder Mensch weiß das und trotzdem fürchten die Meisten von uns nichts mehr als Veränderung. Doch unser Körper erneuert sich mit jedem Atemzug, mit jedem Schritt. Alte Körperzellen sterben ab, während sich im gleichen Moment neue bilden. Zeitgleich stirbt und lebt etwas in uns! Das ist sehr faszinierend und es kann uns zuversichtlich stimmen. Denn es bedeutet, dass - zumindest potentiell – auch die Wahrnehmung für das eigene Leben und Leiden sich verändern kann.

Durch die aktive Entscheidung, Bewegungen, Körperhaltungen, Gedanken, Gefühle  und Bewertungen bewusst und achtsam wahrzunehmen, entscheiden wir uns gleichzeitig dafür, das Leben aktiv zu gestalten anstatt der Spielball vergangener Erfahrungen oder (fehlgeleiteter?) Erwartungen an die Zukunft zu sein. Unsere Lebensumstände sind wie unser Körper im kontinuierlichen Wandel. Atmend sind wir eingebunden in einen umfassenden, systemischen  Bewegungsprozess. Ich nenne diesen Prozess gern den Tanz des Lebens, der uns mit allem was ist verbindet. Einatmen - ausatmen - einen Raum sich öffnen lassen, damit neues Einatmen wieder geschehen kann. In der Hingabe an diesen gelösten, fließenden Zustand von Kommen und Gehen reift mit der Zeit die Erkenntnis, dass der Fluss des Lebens zwei verschiedene Seiten hat, die ganz selbstverständlich gleichzeitig bestehen – sie bilden das Flussbett, in dem das Wasser seinen Weg finden kann.

Ein paar Mal in der Woche laufe ich morgens in aller Frühe eine kleine Strecke entlang des nahe gelegenen Flusses. Meistens verweile ich dann eine Zeit auf der Brücke, die den Fluss überquert. Ein idyllischer Ausblick in beide Richtungen, flussauf und flussabwärts. Manchmal muss ich in diesen Momenten an einen meiner wichtigsten Lehrer denken. Der damals, als ich ihn kennen lernte, bereits 83jährige Butoh Tänzer Kazuo Ohno sagte „Du musst gegen den Strom schwimmen, um zur Quelle zu gelangen“. Die Quelle – das klingt nährend, es klingt nach Weisheit, nach Erkenntnis, nach Ankommen, es geschafft zu haben. Eine verlockende Aussicht. Doch woher weiß ich, wo die Quelle entspringt. Wie weit ist der Verlauf, wie weit muss ich schwimmen, wie viel Flussbiegungen, wie viele Steine, wie viele Hindernisse muss ich überwinden, um an diese Quelle zu gelangen. Ist es nicht doch verlockender, mich vom Fluss tragen zu lassen, flussabwärts,  um irgendwann im Meer der Erkenntnis aufzugehen, geheilt, entlastet, geborgen. Mich einfach dem Wasser hingeben, es mir leicht machen? Wenn ich morgens auf meiner Brücke stehe, schaue ich meistens ganz bewusst in beide Richtungen – die Frage bleibt stets offen, was wohl die richtige Richtung ist. Doch es ist befreiend zu wissen, dass ich jederzeit entscheiden kann, auf welcher Seite des Flusses ich meinen Weg weitergehen und welchen Gedankenimpulsen ich folgen möchte. Mir dieser Freiheit bewusst zu sein, empfinde ich als Lebensqualität.

Dieses war nicht immer so. Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, bevor ich 28-jährig erstmals mit kreativer Körperarbeit in Berührung kam. Es gab einen großen Leidensdruck in meinem Leben. Ich litt seit vielen Jahren unter chronischen Schmerzen. Eine beeindruckende Anzahl von Ärzten und Physiotherapeuten hatten bisher vergeblich ihr Glück versucht, mich davon zu befreien. Und irgendwie hatte ich mich mit diesem Zustand arrangiert. Seit frühen Kindheitstagen gehörten  - nach einer Hüftgelenksoperation – Ärzte und Krankengymnasten zu meiner Welt. Sie hatten damals meinen kindlichen Bewegungsdrang massiv eingeschränkt (kein Toben, keine „unnötige“ Bewegung, kein Schulsport) und später dringend einen „sitzenden“ Beruf empfohlen. Als wäre all dies nicht genug, wurden mir später Mandeln und eine Niere herausoperiert. Meine Mutter war verstorben, als ich dreijährig endlich das Laufen erlernt hatte, mein Vater kam ums Leben, als ich fünfzehn war. Atembeklemmungen, manchmal fast bis zum Ersticken, waren wohl die Reaktion auf diesen zweiten schlimmen Verlust. Ich lernte damit zu leben ohne laut zu klagen und ich schaffte es - mit nicht gerade sehr gesunden Strategien - diese schmerzhaften Erfahrungen phasenweise zu verdrängen. Der körperliche Schmerz blieb und natürlich litt meine Seele. Irgendwann verordnete ein Orthopäde Schmerzmittel und das hätte der Beginn eines vielleicht lebenslangen Medikamentenkonsums sein können, wäre da nicht eine innere Stimme laut geworden, die sagte: Nein!

Ich entschied mich gegen das Medikament, welches mich vielleicht kurzfristig von meinen Schmerzen befreit hätte. Aber hätte es meiner Seele Flügel verliehen und mir eine erfüllende Lebensperspektive eröffnet? Das kann ich nicht wissen. Mein entschiedenes „Nein“ setzte jedenfalls eine faszinierende Kette von Zufällen, Ereignissen und Begegnungen in Gang. Es kamen Menschen in mein Leben, die mich ermutigten, neue Schritte zu gehen, ja – mich überhaupt endlich zu bewegen! Es war der Beginn einer beflügelnden Reise in für mich bis dato unerforschte Bereiche. Ich entdeckte meinen Körper und ich entdeckte „den“ Tanz!

Bisher hatte ich meinen Körper nur als schmerzendes, sprödes, ungelenkes „Etwas“ gekannt. Doch nun bekam ich eine Idee davon, dass es unter diesem Schmerz mehr gab. Der Tanz hatte meine Seele berührt und ich machte immer häufiger die Erfahrung, wie es sich anfühlt im eigenen Körper präsent verankert zu sein. In der Leere des gegenwärtigen Augenblicks öffnete sich ein heilender Raum, ein Raum gefüllt mit Leben, voll mit Möglichkeiten. Diese neuen (Bewegungs) Erfahrungen durchspülten meine Körperzellen wie ein warmer Sommerregen, Hoffnung keimte auf, neues Selbstvertrauen, neuer Sinn, frische Kraft und schon bald auch die Klarheit, dass in diesem Bereich meine berufliche Zukunft lag.

Das Lebendige, dem wir durch Atembewusstheit und Tanz auf die Spur kommen können, folgt seinen eigenen Gesetzen und es hat seine eigene Zeit. Um es zu erforschen, ist es unabdingbar, sich auf einen nicht planbaren Erfahrungsprozess einzulassen ohne dabei jedoch die Absicht, (Selbst) Heilungs- und Erkenntnisprozesse anzuregen, aus den Augen zu verlieren. Dieses ist für den begleitenden Profi wie auch für Klientin oder Patient gleichermaßen eine Herausforderung. Im Arbeitsalltag jederzeit mit dem Lebendigen in Verbindung zu sein, ist eine hohe (Lebens) Kunst. Denn die Stürme des Lebens umwehen nicht nur die Klientin oder den Patienten, sie setzen auch der professionellen Begleiterin zu. So kann es geschehen, dass Methoden in der Routine erstarren, manchmal über einen langen Zeitraum unbemerkt. Spürbar ist anfangs vielleicht nur das Fehlen von Leichtigkeit und Freude, Zustände von müder Pflichterfüllung oder Erschöpfung können folgen. Der Körper läuft mechanisch in einem Hamsterrad und bleibt in eingefahrenen Haltungen und Handlungen gefangen. Wem es vertraut ist, das Leben mit den Augen des Tanzes zu betrachten, achtsam, lebendig und schöpferisch, wird solche Phasen leichter überwinden und wieder zu einer aufmerksamen Grundhaltung zurückfinden. Eine lebendige, aufmerksame Grundhaltung ist fest verankert auf dem Boden, der Körper ist fließend, durchlässig und mühelos aufgerichtet, durchströmt vom Atem, wach, präsent, wahrnehmend, empathisch und gleichzeitig handlungsbereit. Eine solche Haltung erlaubt es, sich flexibel auf die Bedürfnisse und die Thematik der Klientin oder dem Patienten einzustellen ohne dabei die eigenen Möglichkeiten und Grenzen aus den Augen zu verlieren – ein guter Schutz vor dem Ausbrennen.

Nicht immer ist es möglich, einer Patientin oder einem Klienten sofort eine passende Lösung anzubieten. Doch Menschen in belasteten Lebenssituationen suchen aufgrund ihres Leidensdrucks DEN ultimativen Weg aus dem Schmerz, DIE Methode oder DAS Rezept zur Heilung, DIE Strategie zur Überwindung ihrer Probleme. Sie wollen keine weiteren Unsicherheiten, sie wollen Führung, Klarheit, Richtung, Veränderung, Besserung, Heilung und das in der Regel möglichst schnell.

Wenn wir in einer solchen Situation eine Klientin oder einen Patienten ermutigen wollen, sich (nochmals) auf eine Reise mit ungewissem Ausgang, auf einen Zustand des Nichtwissens einzulassen, ist es von entscheidender Bedeutung, wie lebendig überzeugend diese  „Einladung“ verkörpert ist. Ist es mir selbst möglich, diesen Zustand von Nichtwissen wirklich zuzulassen und einen Raum zu öffnen, in dem sich gesunde Entwicklungen lösgelöst von meinen eigenen Erwartungen entfalten können?

Wer sich auf unbekannte Pfade zu bewegt, braucht Neugierde und auch Mut. Dazu brauchen wir Menschen, die uns neue Schritte zutrauen, die uns ermutigen, die authentisches Vorbild sind, Menschen, die Potentiale statt Grenzen aufzeigen, Begleiterinnen, die beim Ausgraben unserer Schätze unauffällig aber verlässlich hinter uns stehen. Nicht immer sind gleich solche Menschen da. Manchmal ist Einsamkeit Teil dieses Weges. Eine unbeantwortete Frage bleibt. Wann bin ich offen für einen Lebensimpuls, durch den ich persönlich wachsen und tiefgehende Heilung erfahren kann? Wann ist der Zeitpunkt, an dem mir Menschen begegnen, die mir neue Wege aufzeigen und mich ein Stück des Weges mitnehmen? Wie eröffnet sich mir eine neue Perspektive auf allzu vertrautes Leiden?

Für mich wurde mein eigener Körper der wichtigste Lehrer. Ich musste Bewegungseinschränkungen akzeptieren lernen. Das war schwer. Zum Glück traf ich Menschen, Lehrer und Begleiterinnen, die mich ermutigten. Was sich anfangs als sehr herausfordernd darstellte, wurde so zunehmend zu einer Quelle von Erkenntnis und Kraft. Jede noch so kleine Erweiterung meiner  Bewegungsmöglichkeiten, jeder kleine Schritt über eine innere Hürde, jedes Überwinden einer (anderen absurd erscheinenden) Bewegungsangst war ein großer Schritt in Richtung Heilung und stärkte mein Selbstvertrauen. Und genau das ist es, was ich inzwischen auch bei unzähligen KlientInnen beobachten konnte. Wer sich von mir auf eine Reise in unbekannte Erfahrungsräume mitnehmen lässt und sich spielerisch neue Körperhaltungen und Bewegungen erschließt, bewusst erlebt und reflektiert, dem eröffnen sich neue Freiheiten im Leben. So ist das „Ziel“ der kreativen Körpererfahrung sich atmend, wahrnehmend, bewegend, tanzend auf vorhandene Ressourcen zu besinnen und diese Potentiale zum Ausdruck zu bringen. Mit der Zeit gelingt es immer besser, den eigenen Erlebenshorizont zu erweitern – das Problem, die Krankheit, der Schmerz oder auch die empfundene Stagnation rückt beiseite und schafft Raum für neue Perspektiven. Körperhaltungen sind Lebenshaltungen - innere und äußere Haltungen bedingen sich gegenseitig. Es lohnt sich, diese Haltungen zu erforschen und sich dadurch aus den Fesseln angelernter Zwänge und fester Vorstellungen zu befreien. Wir werden so (wieder) zu Teilhabenden und aktiven Mitgestaltenden unserer Lebensumstände und unserer Gesundheit. Die auf diese Weise freiwerdenden Potentiale bereichern nicht nur uns selbst. Sie sind wichtig und wertvoll für unsere Mitmenschen, für die Umwelt und unsere Gesellschaft. 

Dieser Artikel wurde veröffentlicht in der Zeitschrift "Mensch" des Dachverbandes für Salutogenese, Themenschwerpunkt "Chronisch krank und doch gesund".